Erste Notrufnummer für Bauern lanciert

    Bauern und Bäuerinnen werden für ihre Produkte nicht fair entschädigt. Die bezahlten Produzentenpreise und geringen Wertschöpfungsanteile vom Konsumentenfranken ermöglichen kein existenzsicherndes, nachhaltiges Wirtschaften. Das soll sich mit einem neu gegründeten Verein ändern. Neben Forschung, Sensibilisierung, Dialog und Bildung wird die schweizweit erste Melde- und Beratungsstelle für Bäuerinnen und Bauern lanciert.

    (Bild: Bernard van Dierendonck) Erste Notrufnummer für Bauern lanciert: Sie soll unter anderem Unterstützung bei Preisdrückerei und Unfairness bieten.

    Ab sofort steht Bäuerinnen und Bauern in der Schweiz erstmals eine Krisenberatungsstelle zur Verfügung, die bei Preisdrückerei und Unfairness weiterhilft. Diese ist schweizweit per Web oder Telefon erreichbar und unterstützt Landwirtschaftsbetriebe beim Kampf um eine faire Entschädigung für ihre Produkte. Lanciert wird die Melde- und Beratungsstelle vom Verein FMS (Faire Märkte Schweiz). Der im Mai von Markt- und Wettbewerbsexperten neu gegründete Verein hat sich der Bekämpfung von Machtmissbrauch und dem Engagement für faire Märkte verschrieben. Gründungsmitglieder sind unter anderem der Agrarökonom Stefan Flückiger, langjährig leitend tätig im Detailhandel und der Landwirtschaft, oder der Ökonom und Professor Mathias Binswanger.

    Agrar- und Lebensmittelmärkte im Fokus
    FMS will den Marktmachtmissbrauch bekämpfen und fairere Märkte schaffen, in denen ein förderlicher Wettbewerb im Interesse aller sichergestellt wird, insbesondere auch für die schwächeren Vertragsparteien. «Fairness in den Lebensmittelmärkten setzt nicht nur faire Lieferbeziehungen voraus, sondern vor allem auch eine faire Verteilung der Wertschöpfung innerhalb der Lieferkette», sagt FMS-Präsident Stefan Flückiger. In einer ersten Phase fokussiert die neue Organisation auf Märkte mit grossem Handlungsbedarf: die Agrar- und Lebensmittelmärkte. Landwirtschaftsbetriebe, die unter den zunehmend marktmächtig agierenden Abnehmern leiden, werden mit der Krisenberatungsstelle unterstützt, damit ihnen ein existenzsicherndes und nachhaltiges Wirtschaften ermöglicht wird.

    Der Verein will eine Preisbildung erreichen, in der sowohl überhöhte Konsumentenpreise vermieden als auch Produzentenpreise bezahlt werden, die, zusammen mit den staatlichen Beihilfen, ein existenzsicherndes und nachhaltiges Wirtschaften mit einem angemessenen Einkommen ermöglichen. «Kurz: Den Produzenten ist die generierte Wertschöpfung aufwandgerecht und fair zu entschädigen», so Stefan Flückiger.

    Marktmachtfrage spitzt sich zu
    Um dieses Ziel zu erreichen, arbeitet FMS auch mit Forschungsteams zusammen und fördert den Dialog in Gesellschaft und Politik zu Fairness und Nachhaltigkeit. Die seit Mai aufgebaute Geschäftsstelle koordiniert die Aktivitäten und betreibt eine interaktive Kommunikationsplattform. «Die Marktmachtfrage spitzt sich zu», hält Präsident Flückiger fest. «Kleine und mittlere Abnehmer und Zulieferer von relativ marktmächtigen Unternehmungen stehen immer stärker unter Druck. Wir müssen jetzt handeln.»

    pd

    Weitere Informationen:
    www.fairemaerkteschweiz.ch


    FMS: Dienstleistungen und Engagement in Silos

    FMS schafft Transparenz: Der gut funktionierende Wettbewerb ist heute eher die Ausnahme als die Regel. Markt- und Wettbewerbsverzerrungen werden transparent gemacht und proaktiv darüber informiert. FMS ist überzeugt, dass nur mittels funktionierenden Wettbewerbs und ohne Marktversagen der Wandel zu mehr Nachhaltigkeit, Ökologie und Tierwohl gelingen kann.

    FMS erbringt wettbewerbsrechtliche Vorprüfung: Marktmachtfrage ist insbesondere in der kleinräumigen Schweiz ein Problem. Die landwirtschaftlichen Produzentinnen und Produzenten sowie kleine und mittlere Zuliefernde oder Abnehmende von relativ marktmächtigen Unternehmungen stehen immer stärker unter Druck, wohingegen vielfach Grossunternehmungen aufgrund ihrer marktmächtigen Position übermässige Margen und Gewinne abschöpfen. Gerade in der Agrar- und Ernährungswirtschaft beherrschen die beiden Grossverteiler den Markt und können damit auf den Preis Einfluss nehmen – vielfach zu Lasten der landwirtschaftlich Produzierenden. FMS unterstützt nun diese und bietet ihnen kostenlos eine Melde- und Beratungsstelle, wo Wettbewerbs- und Rechtsexperten kostenlos eine wettbewerbsrechtliche Vorprüfung ihrer Fälle durchführen.

    FMS schafft neue Erkenntnisse: FMS arbeitet mit Hochschulen zusammen und schafft Erkenntnisse in problematischen Märkten. Mit der Fachhochschule Nordwestschweiz laufen bereits erste Projekte. In Evaluation ist etwa ein Marktmacht-Monitor, der Wertschöpfungsanteile und Marktverhältnisse abbildet. Ein Experten-Beirat bringt ein Netzwerk und Wissen zusammen, insbesondere im Bereich Wettbewerbsrecht und Ökonomie/Wirtschaft.

    FMS fördert Dialog und Bildung zu Fairness und Nachhaltigkeit. Die Diskussion und der Dialog dazu werden einerseits mit Kommunikations- und Informationsmassnahmen gefördert. Anderseits werden dezentral Sensibilisierungsprojekte lanciert, worin vor allem auch junge Leute für eine nachhaltige Lebensmittelversorgung aktiviert werden sollen.

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