Gamen im Alter

    Wie ein neues Videospiel die Generationen verbindet

    «Myosotis Souvenirs» heisst ein neues iPad-Game für betagte Menschen und ihre Angehörigen. Zusammen richtet man ein leerstehendes Haus ein. Dabei entstehen Gespräche über das Wohnen und Leben und manchmal lernt man ganz neue Seiten des Gegenübers kennen. Das Spiel entstand im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsprojekts an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW.

    Bild: zVg Gamen mit betagten Menschen: «Myosotis Souvenirs» richtet sich an Angehörige und Pflegende von hochbetagten Menschen.

    «Myosotis Souvenirs» ist ab sofort im App-Store von Apple frei verfügbar. Das Spiel wurde von einem interdisziplinären Forschungsteam der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW gemeinsam mit mehreren Altersheimen im Raum Nordwestschweiz entwickelt und laufend mit betagten Menschen getestet und verbessert. Es richtet sich an Angehörige und Pflegende von hochbetagten Menschen und lädt dazu ein, einer unterhaltsamen Tätigkeit nachzugehen und so miteinander ins Gespräch zu kommen. «So eine Schreibmaschine hatten wir damals auch im Büro. Da hat die Mutter immer die Rechnungen drauf geschrieben.» – und schon erzählt Herr K. seiner Tochter vom elterlichen Baugeschäft und wie er als Junge auf dem Vorplatz gelernt hat, Fahrrad zu fahren. Das Spiel wird zur Nebensache und das Reden rückt ins Zentrum.

    Auf die Stärken fokussieren
    In «Myosotis Souvenirs» richtet man zusammen ein altes, renoviertes Haus neu ein. In jedem der vier Räume können verschiedene Dekorations- und Einrichtungsgegenstände platziert werden. Zuvor müssen diese aber im dunklen Estrich gesucht werden. Während eine Person mit einer virtuellen Taschenlampe den Raum beleuchtet, öffnet die anderen Kisten, verschiebt Vorhänge oder tippt die gefundenen Gegenstände an. Einige der Einrichtungsgegenstände können personalisiert werden. Dann zeigt das Fernsehgerät eigene Videos und die Bilderrahmen enthalten private Fotos.Das Spiel fokussiert auf die Stärken und Lebenserfahrungen der betagten Menschen und arbeitet mit Belohnungen statt Bestrafungen. So gibt es keine Zeitlimiten und die Interaktionen sind einfach und fehlertolerant gehalten. Wer welche Aufgabe übernimmt, ist bewusst offengelassen und die Rollen können jederzeit wechseln. Dank dem leicht zugänglichen Thema «Wohnen» und der zusätzlichen Personalisierung können persönliche Emotionen geweckt und Gespräche gezielt gefördert werden. Für Angehörige kann dies eine grosse Hilfe sein.

    Forschungserkenntnisse für die ganze Familie
    «Myosotis Souvenirs» vereint Erkenntnisse aus einer dreijährigen strategischen Initiative der FHNW. Forschende aus Psychologie, Kunst und Gestaltung, Musik und Technik entwickelten und erforschten von 2018 bis 2020 verschiedene Spielkonzepte und bewerteten die Ergebnisse aus verschiedenen Blickwinkeln. Wie muss ein Spiel funktionieren, das für hochbetagte Menschen zugänglich und für jüngere Generationen gleichzeitig interessant ist? Wie soll so ein Spiel grafisch aussehen? Welche Musik und Töne sind unterstützend, welche eher störend?

    «Bei den Spielnachmittagen in Altersheimen freuen wir uns immer wieder, wie offen und neugierig die Bewohnenden mitspielen. Berührungsängste mit der neuen Technologie gibt es kaum», erzählt der Projektleiter Marco Soldati von der Hochschule für Technik FHNW. Einige Personen spielen aktiv mit, andere sind lieber im Hintergrund, beobachten und kommentieren das Geschehen. «Diese Treffen sind jeweils auch für uns enorm befriedigend und wir können allen nur empfehlen, beim nächsten Besuch der Eltern oder Grosseltern ein Tablet mit einigen einfachen Spielen mitzunehmen», sagt Soldati stellvertretend für das ganze Team. So wird sogar für Kinder der Besuch im Altersheim spannend und attraktiv. Damit profitieren am Schluss alle davon.

    www.fhnw.ch/myosotis

    pd

    Vorheriger ArtikelEntdecker-Plattform für Kinder und Jugendliche
    Nächster ArtikelDie Schweiz ist auf den Hund gekommen