VILO-LEDERWERK – Das Arbeiten mit Leder ist ihre grosse Passion: Kevin Vis und Lorenz Leuenberger kreieren mit viel Fingerspitzengefühl und Liebe zum Detail Handtaschen und Accessoires – alles von Hand fabrizierte Unikate höchster Qualität. Sie haben ihr Atelier in den Räumlichkeiten der ehemaligen Etuifabrik in Lenzburg eingerichtet.
Dort, wo einst exklusive Schatullen und Etuis mit hochwertigen Materialien wie Leder, Samt und Seide hergestellt wurden, geht die Geschichte des traditionellen Lederhandwerkes im wahrsten Sinne des Wortes fast nahtlos weiter. Kevin Vis und Lorenz Leuenberger haben in den ehemaligen Räumlichkeiten der ehemaligen Etuifabrik in Lenzburg ihr Vilo-Lederwerk eingerichtet. Betritt man das Untergeschoss an der Seonerstrasse 7, wo die Etuis-Fabrik Vonaesch AG 88 Jahre lang ihre Qualitätsprodukte für exklusive Adressen in der ganzen Welt produziert hat, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Auf den ersten Blick ist klar: Hier sind nach wie vor Langlebigkeit, Nachhaltigkeit und echte Schweizer Qualität zuhause. Das alte Gemäuer wurde mit viel Liebe zum Detail sorgfältig renoviert. Ein angenehmer herber, rauchiger Lederduft liegt in der Luft und durch das geöffnete Fenster hört man das Gurgeln und Plätschern des Aabaches. Eine massive Werkbank aus Holz und ein paar alte Maschinen sind Indiz, dass hier mit dem Naturmaterial gearbeitet wird. Ein alter Flaschenträger aus Holz, eine Sitzecke mit schweren Ledersofas, Farbmuster an den Wänden, ein Dutzend farbige Fadenspulen im Regal erinnern an die Hochblüte der Lederhandwerker im 17. und 18. Jahrhundert. Auch die Werkstatt mit den grosszügigen Arbeitsflächen verbindet mit dem alten und modernen Werkzeug traditionelle und moderne Werte. Dazwischen stehen, passend präsentiert, die wunderschönen Ledertaschen und Accessoires und Kreationen – alles Einzelstücke von Hand gefertigt. Die beiden jungen Handwerker zogen vor drei Jahren zuerst ins Obergeschoss, im letzten Sommer wechselten sie ins Erdgeschoss. «Hier haben wir genügend Platz, um unsere kreative Idee zu verwirklichen», freuen sich Vis und Leuenberger.
Die beiden Orthopädieschuhmacher habe eine traditionelle Schuhmacher-Ausbildung absolviert. Vis hat sich anschliessend noch zum Meister ausbilden lassen. Kennengelernt haben sie sich über den Beruf. Beide verbindet dieselbe Leidenschaft: Sie sind fasziniert vom Naturprodukt Leder und begannen so zuhause im Wohnzimmer eigene Kreationen zu entwerfen. «Wir waren immer schon Tüftler. Aus diesem wunderbaren Naturmaterial kann man nämlich weit mehr als orthopädische Schuhe herstellen.» Gemeinsam investierten sie viel Freizeit in ihr exklusives Hobby und zahlten dabei auch entsprechend Lehrgeld. «Es war ein Reinwachsen und Kennenlernen – wir bekamen nach und nach das Gefühl für das Material und unsere Produkte sind immer besser geworden», erzählen sie. Auf ihrem Weg in die fantastische Welt des Lederdesign wurden sie von Luciano Tarqua unterstützt. Der langjährige Designer bei der renommierten Schweizer Schuhmanufaktur Bally hat sich international einen Namen gemacht mit seinen Handtaschen, die er in seinem Atelier in Staufen kreierte. «Er hat uns viel Know-how beigebracht, Tipps und Tricks verraten.»
Ein Kundenerlebnis – vom Entwurf zur Tasche
Die beiden kreativen Köpfe haben im Februar dieses Jahres den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt und ihre eigene Firma Vilo-Lederwerk gegründet. Der Name Vilo leitet sich übrigens ab von den beiden ersten Buchstaben ihres Nach- respektive Vornamens. «Unser Hobby war zu teuer, um es so nebenbei zu betreiben. Deshalb haben wir Nägel mit Köpfen gemacht», erklärt der 26-jährige Vis. Und der 31-jährige Leuenberger konkretisiert: «Wir stehen noch ganz am Anfang und möchten mit unseren Lederprodukten eine Nischenproduktion aufbauen.» Beide arbeiten daneben noch voll auf ihrem gelernten Beruf. Sie setzen auf Unikate statt Massenproduktionen – so ihre Firmenphilosophie. «Wir heben uns von der Massanfertigung ab. Nur so haben wir eine Chance neben den grossen Anbietern.» Gerade durch die Pandemie sind Werte wie Qualität, Langlebigkeit, Nachhaltigkeit und Wertigkeit in den Vordergrund gerutscht.
Diese Chance wollen die jungen Berufsmänner nun packen: «Unsere Kunden wollen wissen, woher das Material kommt, wie das Produkt entsteht, wer dahintersteht. Sie wollen ein Einzelstück, das ihre Individualität unterstreicht und für die Ewigkeit hält.» So spielt auch der Weg vom Entwurf bis zum fertigen Produkt in ihrer Firmenphilosophie eine wichtige Rolle. «Wir vereinbaren Termine mit unseren Kunden. Wir möchten ihnen ein Erlebnis bieten, sie kennenlernen, das Gespräch suchen und gemeinsam Ideen entwickeln und verwirklichen», betont Vis. Farben, Muster oder Verschluss lassen sich nach Wunsch und Geschmack auswählen und kombinieren – die Möglichkeiten sind gross. Der grosse Moment bei der Entstehung ihrer Taschen sei jeweils die Übergabe an den Kunden. «Die Reaktion, die Freude und Überraschung der Kundschaft ist für uns der grösste Lohn», so Vis und Leuenberger doppelt nach: «Für jemanden von Hand etwas Beständiges geschaffen zu haben, an dem er noch lange Freude hat, ist ein unendlich erfüllendes Gefühl.»
Die Taschen mit dem filigranen goldenen Schriftzug Vilo sind ein Blickfang mit garantiertem Wow-Effekt – spätestens, wenn man das stillvolle Innenleben aus passendem Leder erkundet. Die Vilo-Taschen und -Accessoires sind ein klug durchdachtes Kunstwerk, das bis ins letzte Detail in Form und Farbe aufeinander abgestimmt ist. Es steckt viel Know-how, Innovation, aber auch viel Fingerspitzengefühl für das Naturmaterial und ein Blick für Ästhetik und Schönheit in den Lenzburger Lederprodukten.
Zeitloses Design für schlichte Schönheit und individuellen Stil – so die Handschrift der beiden junger Männer. «Unsere Produkte stehen für feines Leder, Echtheit, Qualität und Verantwortung. Wir setzen alles daran, mit unserem handwerklichen Wissen und Geschick zeitlose Lederaccessoires für höchste Ansprüche mit Liebe und Sorgfalt individuell zu fertigen.»
Jeder Arbeitsschritt reines Handwerk
Sie schätzen die Vielseitigkeit des Rohmaterials: «Leder setzt mit seinen naturbedingten Eigenschaften besondere Akzente und begeistert immer wieder von Neuem. Trends kommen und gehen und die Zeiten ändern sich. Leder jedoch bleibt sich selbst immer treu: Echt, anmutig, weich, zäh, schön, widerstandsfähig und langlebig.» Das Leder, das in Lenzburg verarbeitet wird, stammt von Geissen, Kälbern und Rindern. Die beiden Jungunternehmer beziehen es aus Österreich, Italien und Holland. «Wir haben nur dort Gerbereien gefunden, die unserer Philosophie der Nachvollziehbarkeit entsprechen. Das heisst, dort nutzen Metzgerei und Gerbereien gegenseitige Synergien. Die Häute der geschlachteten Tiere werden gleich zu Leder verarbeitet», erklärt Vis. Auch im Vilo-Lederwerk wird das Leder vollständig verwertet. «Der beste Teil – das sogenannte Kernstück – benützen wir für unsere Taschen. Aus den Reststücken gibt es ausgefallene Accessoires wie Brillen- oder Zigarren-Etuis, Gürtel, Schlüsselanhänger, Armschmuck etc.» Für eine Tasche benötigen die beiden Lederkünstler rund zwei Arbeitstage, das sind 30 bis 40 Arbeitsschritte vom Musterzeichnen über das Zuschneiden bis hin zum Nähen. «Wir schneiden jedes Teil von Hand aus. Ausser Näh- und Schleifmaschine ist jeder Arbeitsschritt reines Handwerk.» Entsprechend sind die Preise für die Handtaschen ab 650 Franken aufwärts. Bei ihnen bezahle man nicht wie andernorts für den Markenname, sondern für das Material und zum grössten Teil – für die Arbeit und den Zeitaufwand. Ausserdem werden in die Jahre gekommene Stücke mit Behutsamkeit aufgearbeitet und wieder aufgewertet.
Künftig wollen sich Vis und Leuenberger in der Region Lenzburg einen Namen schaffen. Dabei setzen sie vorwiegen auf die Mund-zu-Mund-Propaganda. Ebenso möchten sie in absehbarer Zeit Schuhreparaturen anbieten. Ihr grosser Traum ist es aber – ganz nach ihrem Motto «weg von der Wegwerfgesellschaft» – einen eigenen, klassischen, eleganten Leder-Massschuh auf den Markt zu bringen.
Corinne Remund