«Wer in die Schweiz kommt, soll arbeiten!»

    Die Schweiz ist auf eine qualifizierte Migration angewiesen. Doch gemäss dem FDP-Grossrat Adrian Schoop müssen wir aufpassen, wer genau in die Schweiz einwandert. Er setzt sich intensiv mit der Migrationspolitik auseinander und kommt dabei unter anderem auf das Wachstum des BIP (Wirtschaftsleistung) pro Kopf zu reden, dem bei der Beurteilung des hohen Bevölkerungswachstums nach seiner Ansicht viel zu wenig Beachtung geschenkt wird. Zudem erzählt der Unternehmer auch von seinen Erfahrungen mit Migranten in seinem Betrieb für Gartenbau, Spenglerei und Flachdach.

    (Bild: Ehrbar Photography) Es geht aus anders: Adrian Schoop beschäftigt in seinem Betrieb unter anderem zwei engagierte Flüchtlinge aus Eritrea. Ihre Einsatzbereitschaft und Lernfreudigkeit sind für das ganze Unternehmen eine Bereicherung.

    Es geht nicht nur um die Zahl der Zuwanderung, es geht vor allem auch um die damit einhergehende Veränderung der Wirtschaftsleistung der Schweiz. Oder einfacher ausgedrückt, der Wirtschaftskuchen wird zwar grösser, muss aber auf immer mehr Köpfe verteilt werden. Das ist letztlich vor allem eine Folge der Einwanderung über den Asylbereich sowie der in vielen Kantonen grosszügigen Bewilligungspraxis beim Familiennachzug. Die Solidarität der Schweiz darf nicht überstrapaziert werden. Für Adrian Schoop ist die Einführung eines Lohnabstandgebots unumgänglich. Der Unterschied zwischen Sozialhilfe und Arbeitseinkommen muss gewährleistet sein, Arbeit muss sich also lohnen.

    Herr Schoop, Sie beschäftigen sich politisch intensiv mit dem Thema der Migration. Erst kürzlich haben Sie einen Vorstoss zum Thema Bevölkerungswachstum eingereicht. Welche Probleme kommen aus Ihrer Sicht auf die Schweiz zu?
    Dr. Adrian Schoop: Die Bevölkerungszahlen in der Schweiz explodieren förmlich. Gemäss Bundesamt für Statistik ist die Gesamtbevölkerung um 30.9% von 6’673’850 Einwohnern im Jahr 1990 auf rund 8’738’791 Einwohner im Jahr 2021 angestiegen. Wenn es so weiter geht, dann überholen wir bald Österreich. Dies, obwohl die Fläche von Österreich den doppelten Umfang aufweist als jene der Schweiz. Der Kanton Aargau ist besonders stark betroffen, zwischen 1990 und 2021 ist die Bevölkerung um sage und schreibe 41.7% angestiegen!
    Wir können ein solches Wachstum nicht verkraften. Die Infrastrukturen geraten bereits heute an die Grenzen. Die Staustunden haben sich in der Schweiz zwischen 2010 und 2019 und fast verdoppelt und die Schweiz (jährlich) mehr als eine halbe Milliarde Franken gekostet. Es müssen neue Strassen, Schulen und Wohnungen gebaut werden. Wenn das so weiter geht, werden wir zur Betonschweiz! Hier kommen immense Herausforderungen und Kosten auf uns zu.

    Die Wirtschaftsverbände sprechen aber immer davon, dass die Migration für eine gesunde Wirtschaft unabdingbar ist. Haben Sie hier als Unternehmer eine andere Auffassung?
    Nein, grundsätzlich nicht. Die Schweiz ist auf eine qualifizierte Migration angewiesen. Wir müssen aber aufpassen, wer genau in die Schweiz einwandert. Zwar wird ein grosser Teil der Migration durch die Personenfreizügigkeit verursacht, doch zumindest lässt sich hier der ökonomische Nutzen belegen. Anders ist es bei den Angehörigen aus Drittstaaten. Im Jahr 2021 betrug die Zuwanderung bei den Angehörigen aus Drittstaaten über 41% des gesamten Migrationssaldos. Von allen Ein- und Auswanderern sind also bald einmal die Hälfte aus Staaten zu uns gekommen, die nicht der EU oder der EFTA angehören, also nicht der Personenfreizügigkeit angelastet werden können. Zudem handelt es sich bei diesen Personen aus Drittstaaten um Menschen, die vor allem den Zugang zum Vollversorgungsstaat Schweiz suchen. Wir haben daher ein Problem beim Wachstum des BIP pro Kopf. Und bei dieser Rechnung sprechen wir nur von den Personen, die nicht über die Asylschiene in die Schweiz eingewandert sind. Zudem dürfen wir nicht vergessen: Die unkontrollierte Zuwanderung ist ein Teufelskreis.
    Denn auch neu zugewanderte Personen benötigen Wohnungen, benutzen unsere Infrastruktur, fahren Auto, belegen Spitalbetten und beanspruchen Dienstleistungen sowie Schulraum für ihre Kinder. Damit wir dem erhöhten Bedarf nachkommen können, müssen wir wiederum neue Personen aus dem Ausland rekrutieren. Einfach gesagt: Ausländer bauen Wohnungen für Ausländer, Ausländerinnen pflegen auch Ausländer usw. Und noch etwas: Immer wieder ist zu hören, dass Ausländer unsere Altersvorsorge finanzieren. Das ist aber zu kurz gedacht. Auch Ausländer werden alt und beanspruchen eines Tages – zu Recht – ebenfalls eine AHV-Rente. Damit brauchen wir wieder neue Einwanderer, um auch die rentenberechtigten Ausländer zu finanzieren. Und schon sind wir mitten im Teufelskreis. Dies bei endlichen Ressourcen und begrenztem Raum.

    Warum soll das ein Problem sein? Die Schweiz hat doch einen hohen Lebensstandard wegen den vielen Arbeitskräften, die zu uns kommen.
    Trotz Zuwanderung ist das BIP pro Kopf seit 2010 nicht mehr wirklich angestiegen. Es lag im Jahr 2020 mit CHF 80’418 nur marginal höher als im Jahr 2010 mit CHF 79’502. Einfach gesagt, der Wirtschaftskuchen wird zwar grösser, muss aber durch immer mehr und mehr Menschen geteilt werden. Es ist absehbar, dass die einzelnen Portionen kleiner werden, der Wohlstand lässt sich so nicht halten. Fachkräfte sind in der Schweiz immer willkommen. Doch von über 140’000 Personen, die 2021 in die Schweiz eingewandert sind, sind nur rund 72’000 wegen einer Erwerbstätigkeit in die Schweiz gekommen. Der Rest fällt unter den Familiennachzug, ist nicht erwerbstätig oder ein Flüchtling. Und auffallend ist, dass auch hier nicht die Personenfreizügigkeit das Problem ist, liegt doch der Familiennachzug als weitaus grösster Einwanderungsgrund von Nichterwerbstätigen bei den Drittstaaten sogar noch höher als jener bei den EU-Angehörigen.

    (Bilder: zVg) Die beiden Mitarbeiter Yonas Tesfamariam (links) und Aklilu Weldesilassie Issak im Einsatz auf einer Baustelle, für die sie selbstständig verantwortlich sind.

    Sie fordern ebenfalls eine striktere Umsetzung der Asylpolitik. Weshalb?
    Grundsätzlich soll jeder, der in seinem Land politisch verfolgt und an Leib und Leben bedroht wird, bei uns Schutz finden. Ich glaube an die humanitäre Tradition der Schweiz. Doch wir müssen aufpassen, dass wir die Solidarität der Schweiz nicht überstrapazieren.
    Der klassische Flüchtling im Sinne der Asylgesetzgebung und der Asylkonvention ist in seinem Heimatland an Leib und Leben bedroht – etwa aufgrund seiner politischen Anschauung oder seiner ethnischen Zugehörigkeit. Allerdings ist dieser Typus sehr selten geworden. Die meisten Menschen, die in der Schweiz Asyl suchen, sind entweder Kriegsvertriebene oder Migrantinnen und Migranten, die auf der Suche nach einem materiell besseren Leben sind. Man spricht in diesem Zusammenhang oft auch von «Wirtschaftsflüchtlingen».
    In der Schweiz leben knapp 50’000 Personen mit einem Wegweisungsentscheid. Diese Wegweisungen muss man endlich vollziehen. Wir müssen verhindern, dass mit einer laschen Asylpolitik unsere Solidarität ausgenutzt wird, unsere Sozialwerke missbraucht werden und die Schweiz zu einem riesigen Flüchtlingslager wird. Unsere Sozialwerke wurden ursprünglich von Schweizern für Schweizer und von hier arbeitenden Ausländern für hier arbeitende Ausländer geschaffen und nicht für Menschen, die massenhaft in die Schweiz kommen, ohne arbeiten zu wollen und sich ein besseres Leben erhoffen.

    Sie sprechen hier die Sozialhilfe an, welche Auswirkungen hat die Migration auf unsere Sozialwerke?
    Die Kosten der Sozialhilfe explodieren im Bereich der Flüchtlinge. Gestiegen ist die Anzahl der Sozialhilfebeziehenden, die als Flüchtlinge mit Asyl oder vorläufig aufgenommene Personen in der Schweiz leben, von 44’708 im Jahr 2016 auf 71’391 Personen im Jahr 2020. Die Sozialhilfequote im Flüchtlingsbereich lag im Jahr 2020 bei 84,2 %. Also rund vier von fünf Flüchtlingen leben von der Sozialhilfe. Die Gesamtkosten der Sozialhilfe in der Schweiz sind innert 10 Jahren um 47 % angestiegen. Während im Jahr 2010 im Umfang von 1.9 Milliarden Franken Sozialhilfe bezogen wurde, waren es 2020 bereits knapp 2.8 Milliarden Franken. Flüchtlinge und Ausländer bezogen rund 57.4 % der gesamten Sozialhilfe. Das kann es nicht sein.

    Aber den Flüchtlingen ist es ja nicht erlaubt zu arbeiten. Ist Ihre Auffassung deshalb nicht ein wenig unfair?
    Dieser Mythos vom Arbeitsverbot hält sich hartnäckig, ist aber falsch. Den anerkannten Flüchtlingen, vorläufig Aufgenommenen und Personen mit dem Schutzstatus S ist es erlaubt, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Viele Unternehmer sind auch bereit, Flüchtlinge zu beschäftigen. Sie sind solidarisch, schön nach dem Motto: Sozial ist, wer Arbeit schafft.
    Doch viele Flüchtlinge haben keine Lust zu arbeiten. Ich habe da auch eigene Erfahrungen gemacht. Ein junger Mann wurde vom Werkhof der Gemeinde aufgeboten, ist bei uns dann aber direkt mit dem Arztzeugnis aufgetaucht. In einem anderen Fall wurde uns vom kantonalen Migrationsamt mittgeteilt, dass ein junger Lehrling trotz Asylstatus zurück in seine Heimat reisen möchte. Dies begründete er mit «zu viel Stress und Heimweh». Seinen bereits gebuchten Flug setzte er nicht in die Tat um – ich vermute wohl auf Druck seiner Angehörigen in Eritrea. Ich kann mir gut vorstellen, dass der junge Mann nun wieder von der Sozialhilfe unterstützt werden muss. Doch einige Gegenbeispiele zeigen, dass es auch anders geht. So beschäftigen wir bei uns mehrere engagierte Flüchtlinge im Betrieb. Ihre Einsatzbereitschaft und Lernfreudigkeit sind für das ganze Unternehmen eine Bereicherung. Solche Erfolgsgeschichten müssen das Ziel der Sozialhilfe sein.


    «Wir müssen verhindern, dass mit einer laschen Asylpolitik unsere Solidarität ausgenutzt wird, unsere Sozialwerke missbraucht werden und die Schweiz zu einem riesigen Flüchtlingslager wird.»


    Wie kann man diesem Problem in der Sozialhilfe entgegenwirken?

    Zunächst sollen möglichst wenig Leute einwandern, welche auf die Sozialhilfe angewiesen sind. Wer nach kurzer Zeit bereits in die Sozialhilfe abdriftet, soll das Land verlassen. Eine Ausnahme sind natürlich die Personen, die wirklich an Leib und Leben bedroht sind. Der Familiennachzug muss konsequent so vollzogen werden, dass Personen nur in die Schweiz nachgezogen werden können, wenn sie sich selber finanzieren können. Zudem müssen sich die Integration und eine Arbeit wieder lohnen. Ich beschäftige selber Flüchtlinge in der Firma. Das sind engagierte Personen und diese sind auch tatsächlich integrationswillig. Doch die Sozialhilfe ist für viele Flüchtlinge oder Vorläufig Aufgenommene einfach zu attraktiv. Der Medianlohn in Eritrea liegt um ein Mehrfaches tiefer, als die Sozialhilfe zur Deckung des Grundbedarfs auszahlt. Hinzu kommen noch weitere finanzielle Ansprüche gegenüber dem Steuerzahler hinzu. Beispielsweise Kostenübernahme der Wohnkosten und der obligatorischen Krankenversicherung sowie Integrationszulagen. Wir sehen, die Schweizer Sozialwerke sind zu attraktiv, das muss man ändern. Auch kommt es nicht von ungefähr, dass Flüchtlinge monatlich Geld ins Ausland an ihre Familien senden. In vielen Fällen lohnt sich die (Teilzeit-) Arbeit nicht, da man unter dem Strich ein höheres Einkommen in der Sozialhilfe erzielt. Es fehlt ein sogenanntes Lohnabstandsgebot. Die Einführung eines Lohnabstandsgebots ist überfällig. Zudem müsste man sich überlegen, ob man gewissen Personen im Asylbereich nicht einfach Sachleistungen und Gutscheine geben möchte, statt ihnen Bargeld auszuzahlen. Die Schweiz wird damit für Wirtschaftsflüchtlinge um einiges unattraktiver. Die gesetzlichen Grundlagen wären vorhanden.

    (Bild: © BFS 2022) Die Schweizer Bevölkerung explodiert. Das BIP pro Kopf hingegen stagniert.

    Führt eine strengere Asylpolitik nicht zu einem Alleingang der Schweiz?
    Nein, seit dem 12. Dezember 2008 beteiligt sich die Schweiz operativ am Schengen/Dublin-System. Die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und den europäischen Staaten im Rahmen der Schengen/Dublin-Assoziierung bringt wirtschaftliche und finanzielle Vorteile. Dieses Abkommen schafft die Grenzkontrollen zwischen den Vertragsstaaten ab, setzt aber voraus, dass die Aussengrenzen konsequent kontrolliert und geschützt werden. Hier muss sich der Bundesrat auf europäischer Ebene einsetzen. Es kann nicht sein, dass die Grenzstaaten die Flüchtlinge in den Schengenraum reinlassen und die Flüchtlinge dann aufgrund der fehlenden Grenzkontrollen ohne weiteres durch ganz Europa reisen können. Die Kontrollen an den Aussengrenzen müssen wieder verstärkt durchgeführt werden, nur so ist eine europäische Flüchtlingspolitik möglich.

     

    Sind Sie für die Kündigung des Schengen/Dublin-Abkommens?
    Nein, zurzeit ist das die beste Lösung. Die Schweiz profitierte in der Vergangenheit stark, weil wir viele Flüchtlinge auch aufgrund des Abkommens in andere europäische Staaten zurücksenden konnten. Denn gemäss Schengen/Dublin kann ein Flüchtling nur einen Asylantrag im ganzen Vertragsraum stellen. Wenn festgestellt wird, dass eine Person in einem anderen Staat ein Asylgesuch gestellt hat, kann der Flüchtling in diesen Staat zurückgeschickt werden. Davon konnten wir bislang stark profitieren, weil wir wesentlich mehr Asylsuchende an andere Mitgliedsländer überstellen konnten als wir von diesen übernehmen mussten.

    Wo steht die Schweiz in 5 Jahren, wenn wir nichts verändern?
    Man rechnet mit einer Zuwanderung von sage und schreibe 200’000 Personen bis Ende 2022. Das entspricht der Grösse vom Kanton Baselstadt. Wenn das so weiter geht, dann stossen wir schon in wenigen Jahren an die Grenzen. Gelingt es uns nicht, dass wir bei der Migration jetzt die Handbremse ziehen, so werden unsere Sozialwerke bald ausgehöhlt und die Strassen überlastet sein. Hinzu kommen ein enormer Mangel auf dem Wohnungsmarkt und ein erhöhter Lohndruck in der Tieflohnbranche. Kurz, wenn wir so weitermachen, ist die Schweiz in fünf Jahren voll.

    Interview: Corinne Remund

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